„Damit möchte ich ausdrücken, dass Wein nicht von selbst entsteht. Große Weine kommen nur durch klare Vorstellungen der Winzer zustande, die jeden Aspekt der Produktion betreffen – vom Weinberg bis zum Keller.
Deutscher Wein galt nach 1945 als historisch belastet, weshalb anspruchsvolle Genießer ihr Glück zumeist woanders suchten. Folglich wurde deutscher Wein eher immer schlechter, unbeliebter und ungefragter.
Das war die historische Situation, in der ich Ende der 80er Jahre, begann, Wein zu machen. Der Kampf gegen die Ablehnung und Abwertung deutschen Weins und besonders des Riesling wurde zu meinem wichtigsten Antrieb. Ich wollte große Mosel-Rieslinge erzeugen. Und dabei wurde die Frage des „Wie“ immer wichtiger; nämlich wie haben unsere Vorfahren Riesling erzeugt, als dieser Wein weltweit das Kultgetränk war und die höchsten Preise erzielte.
Es wurde mit der Zeit immer klarer, dass die Rückbesinnung auf traditionelles Winemaking der Weg ist, große, unverwechselbare Rieslinge zu erzeugen, die auch unserer globalisierten Weinwelt ihre Einzigartigkeit unter Beweis stellen können.
1981, nachdem ich ein Buch von Dr. Dr. Karl Christoffel gelesen hatte, in dem er beschrieb, dass es zu Goethes Zeiten durchaus üblich war, die Rieslinge von Rhein und Mosel 20 bis 30 Jahre im Fass liegen zu lassen, entschied ich, dies auszuprobieren und behielt eine 1981er Wehlener Sonnenuhr Spätlese im traditionellen Fuderfass. Schließlich haben wir den Wein 2008 abgefüllt, er ist nun entsprechend seit zehn Jahren in der Flasche. Es ist wirklich erstaunlich. Ich nenne diesen Wein meinen „Benjamin-Button-Wein“ nach der gleichnamigen Verfilmung mit Brad Pitt, dessen Filmfigur mit fortschreitendem Alter immer jünger erscheint. Der 1981er ist noch ungemein frisch. Er verliert immer mehr seine Cidre-Aromatik, die er bei der Abfüllung noch hatte und wirkt immer jugendlicher!
Als ich bei Christoffel las, dass Weine 20 bis 30 Jahre im Fass ausgebaut wurden, hätte ich schwören können, dass diese Weine nicht unserem heutigen Zeitgeist entsprachen. Ich glaubte, damals seien – wie aus England bekannt – madeirisierte und leicht oxidative Weine in Mode gewesen. Aber „learning by doing“ hat hier gezeigt, dass doch ein ganz anderer Wein als in meiner Vorstellung und gemäß dem Stand der Lehre entstand. Und vor allem: Dass wir doch sehr wenig wissen über die Weinerzeugung der vergangenen 200 Jahre!
Ein weiteres eindrückliches Beispiel, dass mein heutiges Winemaking extrem beeinflusst hat, ist der Besuch eines alten Kunden meines Großvaters im Frühjahr 2008. Er schenkte mir eine Flasche eines trockenen Rieslings von meinem Großvater, ich meine es sei ein 1947er Ürziger Würzgarten gewesen. Wochen später öffnete ich die Flasche und war total überrascht, wie trinkbar der Wein war, nicht braun und oxidiert, sondern wunderbar maturiert.
Gerade heute, mit der Erfahrung von ‚Premox‘ (prematured Oxidation), sollte man sehr genau unterscheiden, ob der Wein oxidiert ist oder ob er eine schöne Maturation aufweist mit all den typischen Aromen eines gereiften Rieslings.
Natürlich habe ich mir die Frage gestellt, was haben die Altvorderen gemacht, dass ihre trockenen Riesling so schön altern konnten. Ich hatte schon sehr viele alte Rieslinge probiert, vornehmlich feine und feinste Spät- und Auslesen zurück bis 1920, 1921er, 1928er, 1938er, 1942er, 1947er und 1949 mit einer „dienenden Restsüße“, wie mein Großvater Dr. Adams immer zu sagen pflegte. Wunderbare Weine, ein Hochgenuss, einmalig in ihrer Art und Alterungsfähigkeit.
Allerdings war mir nie bewusst, dass trockene Rieslinge von der Mosel ebenfalls reifen können, wie der 1947er bewies. Ich wusste von meinem Vater, dass sein Großvater, also mein Urgroßvater, nur trockene Weine erzeugte. Leider haben wir aber keine Aufzeichnungen mehr davon. Die waren nach dem Krieg alle verloren gegangen.
Mein Vater sagte mir, dass der Urgroßvater die Weine natürlich zu dieser Zeit alle spontan im traditionellen Fuderfass vergoren, nach der Gärung mit der Hefe in ein aufgebranntes Fass umgezogen und dann spuntvoll aufgefüllt hatte. Die Weine verblieben dann mindestens zwei Jahre auf der Vollhefe im Fuderfass, wurden also nicht von der Hefe abgestochen. Auch wurde keine Battonage vorgenommen. Die besten Fuder wurden sogar bis zu acht Jahre auf der Vollhefe belassen.
Mit dem 2008er Jahrgang haben wir dann den gesamten Ausbau unserer trockenen Weine wieder auf Spontangärung im Holzfass umgestellt. Im Anschluss wurden alle trockenen Rieslinge zunächst zwölf Monate auf der Vollhefe ohne Battonage belassen. Ab dem 2011er Jahrgang haben wir dann begonnen, die Weine aus unseren besten und ältesten wurzelechten Lagen von drei unterschiedlichen Böden 24 Monate auf der Vollhefe auszubauen.
Die Weine mit zwölf Monaten Hefelager werden nach der Abfüllung, in der Regel ab Anfang November, auf den Markt gebracht. Die Weine mit 24 Monaten Fasslager kommen nach zwei- bis dreijährigem Flaschenlager in den Verkauf.
Grundsätzlich wird keine Battonage angewendet. Wir bevorzugen ein reduktives Milieu im Fass als Gegenspieler zur Mikrooxidation durch die Holzdauben. Eine Battonage würde wohl zu viele Hefen abtöten und das reduktive Potenzial des Weines zu stark beeinflussen. Die Weine würden sehr wahrscheinlich auch fetter wirken. Wir bevorzugen aber eher einen eleganten Stil!
Wie unterscheiden sich aber nun die Weine, bei denen Most, Lage und Lieu Dit identisch sind, wenn sie zwölf oder 24 Monate im Fass auf der Hefe ausgebaut werden? Das ist eine hochspannende Frage.
Unsere Erfahrung zeigt, dass sich ein Wein, der ein Jahr auf der Hefe im Fass lag, etwas rustikaler und unbändiger zeigt als der Wein mit zweijährigem Hefe- und zweijährigem jährigem Flaschenlager.
Obwohl man annehmen könnte, dass ein längeres Fasslager sowie eine zusätzliche Vollhefelagerung eher zu einem oxidativeren Ergebnis führen würden, zeigt unsere Erfahrung genau das Gegenteil. Wir erleben, dass die Weine sich eher eleganter und feiner präsentieren, mit feiner Extraktsüße, sehr zarten Duftnoten – alles in allem verführerisch und unglaublich charmant.
Richtig spannend wird dieses Experiment aber dann vermutlich erst nach 20 Jahren, wenn ich dann 20 Jahrgänge der Weine mit zwölf Monaten und 24 Monaten Hefelagerung im Fass auf den Tisch stellen kann! Erst dann erfahre ich hoffentlich, welcher Jahrgang mit welcher Dauer des Fassausbaus am besten zurechtkommt.“
ERNST LOOSEN
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